Veröffentlicht inEmotionales, Herzerwärmend

Der Mann findet beim Pilzesammeln einen goldenen Ring. Als er ihn näher anschaut, sieht er etwas, dass ihm die Tränen in die Augen treibt.

100 Jahre

Lionel Lepezel lebt schon sein ganzes Leben lang in dem kleinen französischen Dorf Charny-sur-Meuse. Er kennt sich in jedem Winkel seiner Heimatgegend aus und genießt gerne lange Spaziergänge durch die dichten Wälder, wo er im Herbst oft Pilze sammelt.

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Die Gegend liegt ganz nahe der Felder, auf denen die wohl blutigste und schlimmste Schlacht des Ersten Weltkriegs geschlagen wurde; die Schlacht von Verdun.

Als Lionel eines Tages wieder im Freien unterwegs ist und den Blick auf der Suche nach schmackhaften Pilzen auf den Boden unter seines Füßen gerichtet hält, sieht er plötzlich etwas, das unerwartet aus dem Unterholz in der Sonne schimmert. Lionel bückt sich und hebt den kleinen Gegenstand auf.

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Was er da in der Hand hält, ist ein schlichter, goldener Ring. Auf der Innenseite ist „Martha et Léonce, 18.7.14.“ eingraviert – das ist eindeutig ein Ehering. Lionel ist kurz fassungslos. Der Ring ist sichtlich alt, und das Datum kann nur bedeuten, dass dieser Ring im Jahr 1914 ausgetauscht wurde, nur zwei Wochen vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Was für eine furchtbare Zeit für ein junges Paar, dem an Stelle von Flitterwochen und gemeinsamem Glück ein grausamer Krieg bevorstand.

Lionel ist entschlossen, den Ring seinen rechtmäßigen Besitzern zurück zu geben. Aber wie soll er sie oder ihre Nachfahren nach all der Zeit noch finden? Er fragt seinen Freund Cédric um Rat. Dieser ist Lehrer und recherchiert in den verbliebenen Unterlagen und findet heraus, dass in den Jahren zwischen 1914 und 1918 etwa 1.200 junge Männer in der Gegend von Verdun gestorben sind. Wie sollen sie nur unter all diesen Verlorenen einen Mann namens Léonce ausfindig machen?

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Jahrelang suchten sie, befragten Zeitzeugen und durchstöberten endlose Archive, aber nie fanden sie, was sie suchten. Darüber gingen zehn Jahre ins Land. Lionel und Cédric hatten die Suche so gut wie aufgegeben.

Bis Ende des Jahres 2016 plötzlich Lionels Telefon klingelt. Es ist Cédric. Zögernd erzählt er seinem Freund, dass er nach all der Zeit vielleicht doch eine heiße Spur gefunden hat. Archive, in denen die Identifikationsnummern aller Soldaten verzeichnet sind, wurden jetzt wieder zugänglich gemacht.

Die beiden Freunde machen sich erneut auf die Suche. Gemeinsam graben sie sich in mühevoller Kleinarbeit durch die Archive, bis sie schließlich auf einen jungen Mann namens Achille Léonce Bourrelly stoßen. Er war im Jahr 1916 gefallen, und zwar ganz in der Nähe der Stelle, and der Lionel damals den Ring gefunden hat.

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Nach all den Jahren haben sie endlich einen handfesten Anhaltspunkt. Lionel schafft es, zwei Telefonnummern für zwei mögliche Nachkommen von Léonce heraus zu finden. Nachdem die erste Fährte sich als falsch erweist, hinerlassen sie eine Nachricht für die zweite Person, einen gewissen Alain Bourrelly.

Alain hört die seltsame Nachricht an, in der ein Fremder ihn fragt, ob jemand aus seiner Familie vielleicht damals in Verdun gestorben sei. Er ruft sofort zurück und Lionel erzählt ihm die ganze Geschichte.

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„Er sagte mir, dass der Ring meines Großvaters gefunden worden war, und dass wir ihn abholen könnten, wenn wir wollten“, erzählt Alain. „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich wusste, dass mein Vater seinen Vater nie gekannt hatte. Seine Mutter hatte ihr Leben nach dem Krieg wieder neu aufgebaut. Wir haben nie viel darüber gesprochen.“

Er durchstöbert die alten Dokumente seiner Familie und findet die Heiratsurkunde seiner Großeltern, sowie die Todesurkunde von Léonce. Alain und seine Familie beschließen, sich mit Lionel und Cédric zu treffen. Sie warteten bis zum Herbst, um Verdun zur selben Jahreszeit zu sehen, wie damals Léonce es getan hatte. Alle zusammen wanderten sie auf das Feld hinaus, wo 1916 die Schlacht stattgefunden hatte.

Die Atmosphäre des Ortes und das Wissen um das grausame Schicksal so vieler Menschen, lässt sie schwer schlucken. 

„Wenn man es sieht, schnürt es einem die Kehle zu. Mein Großvater starb auf einer Fläche zwischen zwei Dörfern, die vom Krieg völlig zerstört worden waren. Sie haben Gräben in dem gefroren Boden ausgehoben. Es war ein völliges Massaker.“

„Am 15. Dezember 1916, nach einer eiskalten Nacht und einem verschneiten Morgen, nahmen die Franzosen eine Lichtung ein, um eine Offensive zu starten, aber die Deutschen waren vorbereitet. Léonce Bourrelly wurde getroffen und starb an den Wunden von einer Splittergranate. Der Krankenhelfer Albert Comproux, geboren in Connaux, und der Soldat Émile Bourbon aus Châteauroux stellten seine Tod fest. In den offiziellen Dokumenten wurde Léonce Bourrelly als ‚Gestorben für Frankreich in La Côte du Poivre, am 15. Dezember 1916, um 10:10 Uhr‘ aufgeführt.“

Alain hat seinen Großvater nie kennengelernt, aber seinen Ehering 100 Jahre nach der verheerenden Schlacht aus der Hand eines Fremden zu erhalten, macht den Mann, der zuvor für ihn nur ein Name gewesen ist, zu einem echten Menschen, der einmal geliebt, gelacht und eines Sommertages seine Großmutter geheiratet hat. Ein Mensch, der früh und sinnlos gestorben ist und der nicht einmal mit seinem Ring an der Hand beerdigt werden konnte.

Ein Videobericht der ganzen unglaublichen Geschichte kann hier angesehen werden (auf Französisch):

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Weil Lionel und Cédric nie aufgehört haben, nach Léonces Nachkommen zu suchen, konnte Alain ihn dann doch ein wenig kennenlernen – über eine Jahrhundertkluft hinweg. Léonces Vermächtnis ist gleichzeitig traurig und wunderschön.