Veröffentlicht inEmotionales, Schicksale

Mann heiratet Buschfrau, sie scheitert in Zivilisation.

Eine ganz andere Welt

Vor über 40 Jahren nahm Kenneth Good als Student der Anthropologie an einer Expedition in den venezolanischen Dschungel teil. In einem abgeschiedenen Gebirgszug zwischen dem Orinoco und Amazonas trafen die amerikanischen Forscher nach langer Suche auf die Yanomami, einen Eingeborenenstamm, der auch heute noch kaum Kontakt zur Außenwelt hat. Ursprünglich sollte der junge Student nur die Lebensweise der Menschen dokumentieren – doch dann kam alles anders.

YouTube/CBS Sunday Morning

Kenneth war von den Yanomami so fasziniert, dass es ihn auch in den folgenden zwölf Jahren immer wieder zurück in den Urwald zog. Er lernte ihre Sprache, lebte unter ihnen und wurde schließlich sogar in den Stamm aufgenommen. Nach alter Tradition durfte sich das neue Stammesmitglied eine Frau aussuchen. Kenneths Wahl fiel auf  eine junge Frau namens Yarima – über ihr genaues Alter konnte man ihm keine Auskunft geben. In den Monaten und Jahren entwickelte sich aus einer Fernbeziehung wahre Liebe.

Eines Tages kehrte Kenneth jedoch zu seiner Angetrauten zurück und erfuhr, dass sie in seiner Abwesenheit von mehreren Männern vergewaltigt worden war. Um seine Frau in Zukunft vor solchen Übergriffen zu beschützen, überredete er sie, mit ihm in die Vereinigten Staaten zu kommen. Für Yarima war der Kulturschock allerdings größer als erwartet. Nachdem sie ihr ganzes Leben im tiefsten Urwald verbracht hatte, war sie von der modernen Welt regelrecht paralysiert. Bei ihrer ersten Begegnung mit einem Auto dachte sie gar, es würde sich um ein riesiges Tier handeln und nicht um ein Fortbewegungsmittel.

YouTube/CBS Sunday Morning

Das ungleiche Paar zog in einen ruhigen Vorort Philadelphias (Pennsylvania, USA), sodass sich Yarima langsam einleben konnte. An angemessene Bekleidung gewöhnte sich die junge Frau zwar relativ schnell, viele andere Umstände und Situationen konnte sie jedoch auch nach Jahren nicht verstehen. Sie hatte stets das Gefühl, die Menschen würden in Einsamkeit leben. Aus ihrer Heimat war sie es gewohnt, von vielen Menschen umgeben zu sein, mit ihnen ein gemeinsames Leben zu führen, mit ihnen zu jagen, die Kinder zu erziehen und sogar in einem Raum zu schlafen. In Philadelphia war alles anders. Dort lebte jeder sein eigenes Leben in seinen eigenen vier Wänden, abgeschottet von den Nachbarn.

Nur dank ihrer liebevollen Beziehung zu Kenneth und den drei gemeinsamen Kindern hielt sie es fünf Jahre lang in der Zivilisation aus, in einer Welt, die ihr so fremd war – außer ihrem Ehemann sprach keiner ihre Sprache und bis zuletzt verstand sie kaum Englisch. Als die Familie im Rahmen einer Fernsehdokumentation in Yarimas Heimatdorf reiste, nutzte sie die Gunst der Stunde und erklärte ihrem Mann, dass sie nicht mit ihm zurückfliegen werde.

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Kenneth war von der Entscheidung seiner Gemahlin schockiert, verstand jedoch ihre Beweggründe: Seine Frau kam aus einer vollkommen anderen Welt – einer Welt, in der sich alle gegenseitig helfen, kennen und verstehen. Yarima konnte es einfach nicht länger in der zivilisierten, von Anonymität geprägten Welt aushalten – sie wollte um jeden Preis in ihrer Heimat bleiben, auch wenn das bedeutete, dass sie ihre drei Kinder verlassen musste. Die beiden jüngsten Kinder des Paares waren zu jung, um das Ganze wirklich zu verstehen. Ihr ältester Sohn, David (5), fühlte sich von seiner Mutter jedoch verraten und verlassen.

Über die Jahre wuchs in David der Hass auf seine Mutter. Wurde er nach ihren Verbleib gefragt, antwortete er stets, sie sei in einem Autounfall ums Leben gekommen. Doch als ihm viele Jahre später ein Buch seines Vaters in die Hände fiel, änderte sich für den jungen Mann alles. In dem Buch erklärt und beschreibt Kenneth nicht nur die Liebe, die er für Yarima verspürt, sondern auch die Umstände, unter denen sie aufwuchs.

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Nachdem er das Buch gelesen hatte, konnte David seine Mutter verstehen – und ebenso die Traurigkeit und Einsamkeit, die sie in Philadelphia all die Jahre verspürt hatte. Er verstand endlich, dass sie gar keine andere Wahl hatte. Von da an stand für ihn fest, dass er seine Mutter unbedingt wiedersehen musste, er musste selbst in den Regenwald reisen und ihren Stamm ausfindig machen.

So beschwerlich die Reise auch war, für David gab es nichts Wichtigeres in seinem Leben. Auf der Suche nach den Yanomami entdeckte er die abgelegensten Gebiete Venezuelas, durchquerte Flüsse, in denen gefährliche Piranhas ihr Unwesen trieben, wurde am ganzen Körper von Moskitos gestochen und litt unter unangenehmen Magen-Darm-Beschwerden. Allein diese Erfahrungen führten ihm vor Augen, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Welten wirklich war.

YouTube/CBS Sunday Morning

Als David schließlich das Dorf seiner Mutter erreichte, hätte das Wiedersehen nicht emotionaler sein können: Yarima und David erkannten einander sofort wieder; die Liebe einer Mutter ist etwas ganz Besonderes, das spürte der junge Mann in dem Moment sofort. Die folgenden Wochen verbrachte er mit den Yanomami, lernte ihre Lebensweise und aß sogar Insekten, Schlangen und kleine Echsen.

Irgendwann war jedoch der Zeitpunkt gekommen, an dem David von seiner Mutter vorerst wieder Abschied nehmen musste. „Ich bin heute ein vollkommen anderer Mensch als noch vor fünf Jahren. Ich bin heute stolz darauf, ein Yanomami-Amerikaner zu sein. Ich bin stolz auf meine Vorfahren. Ich liebe meine Mutter und hoffe, sie bald wiedersehen zu können. Außerdem möchte ich in Zukunft die Gebräuche der Yanomami weiter erforschen und dokumentieren“, so David.

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Mittlerweile ist bei David von dem einstigen Hass und Groll gegenüber seiner Mutter nichts mehr geblieben. Die Reise in den Urwald hat ihm die Augen geöffnet und ihm verdeutlicht, wie sich Yarima damals gefühlt haben muss.

Wenn du mehr über diese besondere Familie erfahren möchtest, kannst du dir das folgende Video (auf Englisch) ansehen:

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Auch wenn es lange gedauert hat, besteht für die Familie nun endlich die reelle Chance, wieder zusammenzuwachsen. Yarima überlegt sogar, ihre drei Kinder und Kenneth demnächst in den Vereinigten Staaten zu besuchen. David hat seinerseits das gemeinnützige „The Good Project“ gestartet, mit dem er ein Bewusstsein für das Leben der Yanomami schaffen möchte. Eine wirklich unglaubliche Geschichte!