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7 Bräuche des Adels, die es zum Glück nicht mehr gibt

Keine Toiletten, falsche Augenbrauen, brutale Korsage – so verrückt und unglamourös lebte der Adel in Versailles und Co. wirklich.

Eine geschminkte Frau in einem barocken Kleid und mit einer Turmfrisur-Perücke, die einen Fächer in der Hand hält.
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Gepudert, verhätschelt und auf Rosen gebettet – so stellt man sich das Leben des Adels im 18. und 19. Jahrhundert vor. Doch tatsächlich war das Leben am Hofe um einiges verrückter, unglamouröser und verstörender als man es aus den Geschichtsbüchern gelernt hat.

Was damals als fortschrittlich und modern galt, wäre heute ein Fall für das Ordnungs- oder Gesundheitsamt. Die folgenden Sitten und Bräuche mögen aus heutiger Sicht schräg, eklig und verstörend wirken – für den europäischen Adel des 18. und 19. Jahrhunderts waren sie jedoch der letzte Schrei:

1. Edle Notdurft

Toiletten mit Wasserspülung und Kanalisation gab es schon im antiken Rom. Vom Mittelalter bis zur Moderne war jedoch das „Töpfchen“ das Mittel der Wahl für die tägliche Notdurft. Zusätzlich zum Nachttopf, den man unter dem Bett verstaute, bevorzugten viele Adlige – insbesondere die Frauen – eine „mobile Lösung“.

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Das sogenannte Bourdalou war eine Art Nachttopf für unterwegs. Das an eine Sauciere erinnernde Töpfchen war zu Beginn des 18. Jahrhundert bei Adelsfrauen hoch im Kurs, denn es ermöglichte ihnen, sich während langwieriger Veranstaltungen im höfischen Alltag zu erleichtern.

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Dass im Mittelalter die Nachttöpfe auf die Straße geleert wurden, ist allgemein bekannt, aber auch in der High Society duftete es nicht nach Rosen.

Versailles war zwar lange Zeit der Mittelpunkt der höfischen Kultur, doch in puncto sanitäre Einrichtungen war das Prunkschloss eine Katastrophe. Öffentliche Toiletten suchte man am Hof vergeblich. Um langwierige Veranstaltungen wie Bälle und Banketts durchzustehen, hatten die meisten der vornehmen Besucher ihr eigenes Töpfchen dabei. Während die Herren der Schöpfung sich draußen erleichtern konnten, nutzten die Damen das Bourdalou und entleerten es im Garten.

Sitztoiletten wie diesen Nachttopf von Ludwig XV. gab es zwar auch, aber diese waren nicht für alle zugänglich.

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Auch die Sitzposition war nach heutigen Standards eher unkonventionell.

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So sah das königliche WC von Ludwig XVI aus: Der „Thron“ verfügte über eine Wasserspülung.

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2. Wer schön sein will, muss leiden

Wer sich über schnelllebige und schräge Modetrends aufregt, kann froh sein, nicht im 17. und 18. Jahrhundert gelebt zu haben. Der Begriff der „Umstandsmode“ war damals wörtlich zu verstehen: Da wäre zum Beispiel der Trend der gewaltigen Turmfrisuren, der von Marie Antoinette ins Leben gerufen worden sein soll. Die mitunter meterhohen Haarberge machten das Benutzen von Kutschen und Türen zur Herausforderung.

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Doch Volumen war nicht alles: Bald ging man dazu über, die Haartürme künstlerisch aufzumotzen. Schiffe, Vögel und andere exotische Gimmicks wurden in die Haarmassen einfrisiert. Je ausgefallener die Frisur, desto lauter der Applaus am Hof.

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Als Festiger und Färbemittel nutzte man eine Mischung aus Mehl und Stärke. Dieser „Drei-Wetter-Taft“-Vorläufer machte die Haarpracht allerdings zum Paradies für Flöhe und Läuse.

Die Kleidung war nicht weniger ausgefallen: Um das raumfüllende Kleid richtig in Szene zu setzen, trug Frau ein weit ausladendes Unterkleid – ein sogenanntes „Panier“. Obzwar ein echter Hingucker, passten viele Damen mit diesen Stoff-Schlachtschiffen kaum durch die Tür.

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Der Modefimmel war nicht reine Frauensache. Für die Männerwelt war die sogenannte „Dandy“-Mode zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Maß aller Dinge. Trendsetter war der Engländer Beau Brummell, dessen Mode-Marotten mit denen der Adelsfrauen locker mithalten konnten.

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Um in sein schmal geschnittenes Jackett zu passen, trug der Urvater aller Dandys ein strammes Korsett. Dieses wurde so eng geschnürt, dass mehrere Bedienstete mit aller Kraft ziehen mussten. Acht Diener arbeiteten fünf Stunden daran, um ihren Herren ausgehfein zu bekommen. Seine Stiefel ließ die Modeikone angeblich in Champagner einweichen.

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3. Künstliche Augenbrauen

Blasse Haut und weißes Haar waren das Schönheitsideal der feinen Leute. Für den Wohlstands-Look verwendete man mitunter bleihaltigen Puder. Die daraus resultierende Bleivergiftung führte jedoch zu Haarverlust. Da durch die Vergiftung nicht nur das Haupthaar, sondern auch die Augenbrauen ausfielen, kamen neben Perücken auch künstliche Augenbrauen zum Einsatz. Die falschen Brauen wurden aus Tierpelz hergestellt und waren so beliebt, dass sich einige Damen ihre natürlichen Brauen abrasierten, um sie durch die künstlichen zu ersetzen.

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4. Zähne zeigen

Ein strahlendes Lächeln steht für Gesundheit und Wohlstand. Das war früher etwas anders: Weil Süßigkeiten damals Luxusgüter waren, war Karies insbesondere ein „Reiche-Leute-Problem“. Nicht nur das: Die Zweiten im Mund zu behalten, war regelrecht verpönt. So ließ sich Ludwig XIV auf Anraten seines Arztes alle Zähne ziehen, weil sie „die Ursache vieler Infektionen und Krankheiten“ seien. Das Lächeln des Sonnenkönigs war also alles andere als strahlend.

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Das übereifrige Zähneziehen führte zu einer hohen Nachfrage nach Zahnersatz. Wer es sich leisten konnte, ließ sich ein Gebiss anfertigen. Einige Zahnprothesen bestanden aus den Zähnen von Verstorbenen, was wiederum ein erhebliches Infektionsrisiko mit sich brachte. Auch die Zähne von gefallenen Soldaten wurden für Prothesen verwendet. So gingen zum Beispiel Gebisse, die aus den Zähnen von Gefallenen der Schlacht bei Waterloo zusammengesetzt wurden, als „Waterloo-Zähne“ in die Geschichte ein.

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5. Exekution als Familien-Event

Hinrichtungen waren nicht nur im Mittelalter ein beliebtes Spektakel. In Frankreich waren Exekutionen noch bis 1939 für die Öffentlichkeit zugänglich. Zur Zeit der Französischen Revolution war das Besuchen einer Exekution so üblich wie heutzutage ein Gang ins Kino. Das grausige Schauspiel war so populär, dass man Kindern kleine Guillotinen zum Spielen gab. Sogar Goethe soll seine Mutter gebeten haben, ihm das makabere Spielzeug für seinen Sohn zu kaufen, was diese aber vehement ablehnte.

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6. Geschmackssache

Wie bereits erwähnt, waren Süßigkeiten damals ein Luxus, den sich nur reiche Leute leisten konnten. Eine heute wie damals beliebte Spezialität war Speiseeis. Neben schon damals beliebten Sorten wie Schokolade, Beeren und Zitrone gab es auch ausgefallene Geschmacksrichtungen, die heute niemand anrühren würde – zum Beispiel Kardamom, Muskatnuss, Parmesan, Roggen und Ingwer.

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7. Hauptsache, heiraten 

Nur die Liebe zählt? Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Heirat aus Liebe für Frauen eine Utopie. Da meistens die Söhne den gesamten Familienbesitz erbten, standen Frauen unter großem Druck, einen reichen Mann zu heiraten. Mit Ausnahme des Hochadels konnten auch ehemals wohlhabende Frauen schnell in die Armut abrutschen, wenn ihre Eltern oder Ehemänner starben.

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Für junge Frauen der Mittelschicht und des niederen Adels war Heirat also das höchste Ziel. Mit siebzehn Jahren lernten sie, wie sie sich zu verhalten hatten, um einen „guten Fang“ zu machen. Dazu gehörte nicht nur die äußere Erscheinung, sondern auch das Umgarnen der potenziellen Gatten mit kleinen, aber feinen Gesten: Fächer wurden benutzt, um den Männern verheißungsvolle Blicke zuzuwerfen. Bevor man einem Gentleman die Hand gab, kühlte man sie an einem Marmorstein in der Tasche – denn eine kalte Hand galt als feminin. Das Umwerben geschah unter den wachsamen Augen der Eltern, die es nicht zuließen, dass ihre Tochter mit einem Taugenichts und Tagelöhner anbandelte.

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Mangelnde Hygiene, absurde Mode, Heiratszwang – das Leben der Reichen und Schönen war nach heutigen Maßstäben nicht gerade glamourös. Da ist man doch froh, nicht in der Haut des Sonnenkönigs zu stecken. Auch die mittelalterlichen Heilmethoden, die in diesem Artikel vorgestellt werden, lassen einen dankbar sein, in der heutigen Zeit leben zu dürfen.

Quelle: Buzzfeed
Vorschaubilder: ©Pinterest/ja.wikipedia.org ©Pinterest/TwoNerdyHistoryGirls

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