Veröffentlicht inEmotionales, Familie, Schicksale

Der 4-Jährige betritt den Zug, um dort zu putzen. Er weiß nicht, dass er 25 Jahre lang nicht nach Hause kommen wird.

Wie die Nadel im Heuhaufen.

Als der indische Junge Saroo gerade einmal vier Jahre alt ist, ändert sich sein Leben für immer. Gleichzeitig beginnt für seine Mutter ein Albtraum, der 25 Jahre andauern wird.

Damals lebte Saroo zusammen mit seiner Mutter und seinen drei kleinen Geschwistern in einem kleinen indischen Dorf. Ihr Leben war nicht einfach und seine Mutter war oft den Tränen nahe. Eines Tages ging Saroo zusammen mit seinem Bruder zum Bahnhof, um die Abteile in den Züge zu putzen und so ein bisschen Geld zu verdienen. Nachdem Saroo in einen der Züge eingestiegen war, sagte sein Bruder zu ihm: „Bleib du hier, ich komm gleich zurück.“ Saroo war sehr müde und entschied sich für ein kurzes Nickerchen, darauf zählend, dass sein Bruder ihn rechtzeitig wecken würde. Doch als Saroo schließlich aufwachte, war der Zug in Bewegung. Er saß allein im Abteil und hatte keine Ahnung, wo er war.

Youtube/Google Maps

Saroo konnte damals weder lesen und schreiben. Er konnte noch nicht einmal zählen. Er wusste nicht, wie sein Heimatort hieß oder wie sein Nachname lautete. Ohne eine Möglichkeit, seine Mutter zu kontaktieren, fand sich Saroo mit vier Jahren plötzlichen allein in den Straßen von Kalkutta wieder.

Zum Glück begegnete er bald einem Jugendlichen, der ihn zu einer Anlaufstelle für ausgesetzte Kinder brachte. Dort nahm man ihn auf, und schon bald wurde Saroo zur Adoption freigegeben. Als eine australische Familie sich seiner annahm, nahm sein Leben eine Wendung, mit der er nie gerechnet hätte. So viel Luxus kannte er bis dahin nicht. Die Tage des Hungers und des Drecks waren vorbei. Aber gleichzeitig vermisste er seine Mutter und seine Geschwister fürchterlich.

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In der Zwischenzeit suchte seine Mutter verzweifelt nach ihrem kleinen Jungen. Sie verständigte die Behörden, aber ihr Sohn war spurlos verschwunden. Sie war am Boden zerstört und weinte bitterlich um ihr verlorenes Kind.

Gleichzeitig hängte seine Adoptivmutter eine Karte von Indien an die Wand, damit Saroo sich an seine Wurzeln erinnern konnte. Jeden Tag betrachtete er die Karte und stellte sich die gleichen Fragen: „Wo ist meine Familie? Was ist aus ihr geworden? Werde ich sie je wiedersehen?“

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Die Ungewissheit ließ Saroo nie los. Viele Jahre später, als er schon längst erwachsen war, fing er schließlich an, seine Familie zu suchen. Er wandte dafür ein ungewöhnliches Hilfsmittel an: Google Earth! Es war seine einzige Hoffnung. Ganze Tage verbrachte er damit, immer wieder in die Straßen hinein- und herauszuzoomen, immer in der Hoffnung, etwas aus seiner Kindheit wiederzuerkennen.

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Eines Tages passierte schließlich das Unfassbare: In der Nähe einer Fabrik fand er eine Brücke, die ihm sehr bekannt vorkam. Von da an fügten sich die Puzzleteile zusammen. Auf dem Satellitenbild sah er einen Brunnen, an dem er sich vor 25 Jahren verletzt hatte. Diesen Hinweisen folgend, fand er den Namen seines Dorfes heraus: Ganesh Talai.

Saroo konnte es kaum glauben. Mit bebendem Herzen flog er nach Indien und bestieg den Zug in den Ort, in dem er auf die Welt kam. Für ihn war es wie eine Zeitreise. Immer wieder flammten Bilder aus der Vergangenheit auf.

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Als er sich schließlich dem Haus näherte, in dem er aufgewachsen war, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Würde seine Familie ihn überhaupt wiedererkennen? 

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In der Nähe standen drei Frauen. Ohne ein Wort zu sagen, nahmen sie ihn in die Arme. Nach 25 Jahren hatten sie den kleinen Jungen in ihm sofort erkannt. Seine Mutter rief seinen Bruder und seine Schwester an, um ihnen zu sagen, dass ihr „Bruder nach 25 Jahren wie ein Geist einfach so wieder aufgetaucht“ sei. Und so war die Familie wieder vereint. Saroo war vollkommen überwältigt. Nach all den Jahren der Suche hatte er seine Familie wiedergefunden – aber leider war sie nicht vollständig. Saroo erfuhr die traurige Nachricht, dass sein Bruder, mit dem er damals zum Bahnhof gegangen war, einen Monat nach seinem Verschwinden von einem Zug überfahren wurde. Trotz dieser traurigen Nachricht war Saroo dennoch sehr froh darüber, seine leibliche Familie gefunden zu haben.

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„Es war die Nadel im Heuhaufen“, erzählt er, „aber ich wusste ja, dass die Nadel da ist. Alles war dort! Alles, was es auf der Welt gibt, ist nur einen Mausklick entfernt. Man braucht nur den Willen und das Durchhaltevermögen.“ 

Jetzt, da er seine Familie gefunden hat, sendet er ihr jeden Monat Geld, damit seine Mutter nicht mehr so hart arbeiten muss.

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In Industriestaaten können 4-Jährige sorgenfrei mit ihren Freunden spielen, riesige Geburtstagspartys feiern, in Freizeitparks gehen und werden mit Spielzeug überschüttet. In Indien müssen sie dagegen oft um Kleingeld betteln, damit ihre Familien überleben können. Saroos Geschichte hat ein gutes Ende gefunden, aber jedes Jahr haben Millionen Kinder nicht so viel Glück und wachsen in unwürdiger Armut auf. Im Video kannst du Saroos Geschichte noch einmal komplett ansehen (auf Englisch):

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Saroo wurde zum Glück von liebevollen Eltern adoptiert. Seine unglaubliche Geschichte hat er letztes Jahr in einem Buch festgehalten. Der Titel:  A Long Journey Home („Eine lange Heimreise“). Endlich sind die Tränen seiner Mutter Tränen der Freude statt der Trauer. Was für eine unglaubliche Geschichte.