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Ein Engländer erklärt, wie man Deutscher wird.

Er müsste es ja wissen.

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Stell dir vor, du kommst als Ausländer nach Deutschland und alles ist neu für dich. Und jetzt stell dir vor, ein freundlicher Engländer versucht, dir die großen Mysterien der deutschen Vorlieben und Angewohnheiten zu erklären. Ganz einfach, verständlich und unterhaltsam. Wäre das nicht super?

Der freundliche Engländer heißt Adam Fletcher und er hat ein Buch verfasst mit dem Titel „How to be German in 50 Easy Steps„. Das Tolle daran ist, dass nicht nur Ausländer seine Tipps zum Schreien finden, auch die Deutschen reißen sich um seine witzigen Erklärungen.

Für Heftig.co hat Adam 15 seiner Tipps auf Deutsch spendiert. Danke, Adam.

1. Hausschuhe anziehen

Also, mein little foreigner: Dein erster Tag als angehender Deutscher. Du bist in deinem Bett aufgewacht, wo du gemütlich und sicher auf einer festen, praktischen Matratze geruht hast. Nun machst du sorgsam das Bett, oder vielmehr deine Betthälfte. Denn du solltest in einem Doppelbett mit zwei getrennten Matratzen und zwei Bettdecken schlafen; dabei geht einiges an nächtlicher Romantik verloren, doch zum Ausgleich dafür ist es viel praktischer, und nichts ist den Deutschen wichtiger.

Und jetzt Vorsicht! Noch nicht vom Bettvorleger treten, denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass der Fußboden ein winziges bisschen kälter ist als erwartet! So kalt, dass du eine Art Morgenschock erleiden könntest. Und darum brauchst du Hausschuhe! Die sind ein fester Bestandteil deutschen Wesens.

Ich würde euch gern erklären, warum die Deutschen so in ihre Pantoffeln vernarrt sind. Ich habe mehrere gefragt, habe aber noch keine endgültige Antwort. Nicht etwa, weil sie es mir nicht erzählen, sondern weil die Antwort stets so unglaublich unromantisch, vernünftig, praktisch und langweilig ist, dass mein fröhliches kleines Barfußhirn schlicht nicht weiß, wo es derartige Informationen ablegen soll, und daher gar nicht mehr versucht, sie im Gedächtnis zu behalte.

2. Lange Frühstücken

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Als Engländer war ich sehr erstaunt, wie wichtig den Deutschen ihre Küche ist. In England betrachtet man sie als reinen Funktionsraum, wie die Toilette, nur mit Kühlschrank. Man geht rein, tut, was man tun muss, und geht wieder raus. Herzstück des Heims ist das Wohnzimmer.

Nicht so bei den Deutschen: Sie sind am glücklichsten, wenn sie die meiste Zeit in der Küche verbringen. Es ist der praktischste Raum des Hauses – man hat hier einen Tisch, Wasser, Kaffee, Essen, ein Radio und anständige Sitzmöbel, die eine gute Haltung fördern. Die Deutschen haben richtig erkannt: Wenn es mal ganz dicke kommt, verschanzt man sich am besten in der Küche.

Ein deutsches Frühstück ist nicht einfach eine Mahlzeit, sondern ein kunstvolles Festmahl. Beim Wochenendfrühstück ist jeder Quadratzentimeter Tisch von einer riesigen Auswahl an Käse, Aufschnitt, Obst, Marmeladen, Honig, Aufstrichen und anderen Zutaten bedeckt. Es sieht aus, als hätte jemand eingebrochen und auf der Jagd nach Wertsachen den Inhalt sämtlicher Vorratsschränke auf den Tisch geschüttet.

Mein erstes Frühstück in einer deutschen WG zog sich so lange hin, dass ich ins Frühstückskoma fiel und die anderen mich mit Eszet wiederbeleben mussten, einer Art Schokoladentäfelchen, das man sich aufs Brot legt. Ich wusste bis dahin nicht, dass man Brot und Schokolade auf legale Weise kombinieren kann. Es war eine echte Offenbarung. Seither lege ich Eszet einfach auf alles Essbare, und allmählich habe ich gelernt, bei den langen, ausgedehnten deutschen Frühstücken mehr und langsamer zu essen.

Die schlimmste Fernsehshow, die ich je gesehen habe, kam aus England und hieß Touch the Truck. Die Spielidee – wenn man sie großzügig so nennen darf – bestand darin, dass eine Menge Leute einen Lastwagen anfasste, während das Publikum wartete und zuschaute. Wer als Letzter den Lastwagen losließ, hatte ihn gewonnen. Manchmal habe ich den Eindruck, das deutsche Frühstück funktioniert nach ähnlichen Regeln, wobei das Frühstück den Lastwagen ersetzt, und als Preis winkt, naja, ich weiß nicht so recht … vielleicht so wenig Zeit wie möglich bis zum Mittagessen zu haben.

3. Planen, vorbereiten, durchführen

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So weit, so gut. Sieh mal an: Du bist früh aufgestanden, hast das Radio eingeschaltet, sicher dröhnt Depeche Mode aus dem Lautsprecher, und du nimmst ein langes, langsames und nachdenkliches deutsches Frühstück zu dir. Du akklimatisierst dich bestens, young foreigner.

Nun aber musst du dich in den Kopf der Deutschen hineinversetzen. Wenn du Deutscher werden willst, musst du wie ein Deutscher denken, was kein Kinderspiel ist und später noch im Einzelnen behandelt werden soll. Für den Anfang musst du aber erst einmal die drei Grundpfeiler deutschen Denkens und Handelns akzeptieren: Planen, Vorbereiten, Durchführen.

Der richtige Deutsche weiß Risiken einzuschätzen, versichert sich, soweit es geht, und bereitet sich auf alles vor, wofür es keine Versicherung gibt. Ein jeder ist seines Glückes Projektmanager. Planen und vorbereiten: Fertige Tabellen, Diagramme und Listen an. Überleg dir, was du täglich machst, und denk nach, wie du es effizienter erledigen kannst.

Ist es beispielsweise möglich, die Schuhverwahrung so zu organisieren, dass die am häufigsten gebrauchte Fußbekleidung sich möglichst weit oben befindet, weil sich so die Bückzeit reduziert? Mir egal, ob du siebzehn Jahre alt bist, du brauchst fast eine ganze Minute zum Schuheanziehen, besorg dir einen Schuhlöffel! Optimiere deine Prozesse!

Man nennt es vielleicht Spontaneität, aber deshalb kann man es trotzdem organisieren. Spaß hat seinen Ort und seine Zeit, und die muss im Voraus festgelegt und im Kalender vermerkt werden. Alles andere ist Leichtsinn und Chaos. Setz dich also hin und mach einen Plan für den Tag, dann für die Woche, dann für den Monat. Und dann buch deine Urlaube bis 2017. Um die Sache zu vereinfachen, fahr einfach immer an denselben Ort. Wie wär’s mit Mallorca? Alle anderen Deutschen fahren auch dorthin, also muss doch irgendwas dran sein.

4. Sich versichern

Jeder weiß, was für ein Dschungel das da draußen ist. Also, mein unerschrockener foreigner: Ehe du dich hinauswagst und anfängst, an den Lianen des Lebens umherzuschwingen, solltest du dich vernünftig versichern. Die Deutschen haben allerdings eine überbordende Fantasie, darum haben sie es mit ihrem Konzept ‹Vernünftig versichern› ein wenig übertrieben.

Sei nicht überrascht, wenn alle Deutschen, die du kennenlernst, einen persönlichen Versicherungsberater haben. Meine Freundin kommuniziert öfter mit ihrem Versicherungsberater als ich mit meiner Mutter. Würde jemand eine Versicherungsversicherung erfinden – also eine Versicherung gegen den Fall, nicht ausreichend versichert zu sein –, könnten wir erstaunt zusehen, wie 80 Millionen Menschen vor Glück sterben.

5. Zieh dich vernünftig an

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Tag geplant? Versicherungen abgeschlossen? Toll. Gute Arbeit! Jetzt wird’s Zeit, deine Schlumperklamotten abzulegen, nach draußen zu gehen und dem Tag die Stirn zu bieten. Dazu brauchst du passende Kleidung.

∗ACHTUNG, FOREIGNER! ACHTUNG!∗ Da draußen wartet etwas, was man Natur nennt. Und die ist wankelmütig – trau ihr auf keinen Fall! Sie spielt ihr eigenes unlogisches und wechselhaftes Spiel. Am besten wappnest du dich für alle Unwägbarkeiten. Du brauchst – teure Outdoor-Kleidung! Schließlich gehst du vor die Tür, und es heißt Outdoor-Kleidung, also muss sie wohl nötig sein.

Du solltest jederzeit für mindestens drei Jahreszeiten gekleidet sein. Hol dir diese supercoolen Jack-Wolfskin-Shrousers – die langen Hosen, die man mit zwei Reißverschlüssen in eine kurze verwandeln kann. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass du irgendwann den Bürgersteig verlassen musst, zieh dir auf jeden Fall hochwertige Wanderstiefel an. Alles andere wird in Deutschland als Knöchelselbstmord betrachtet.

6. Deutsch sprechen

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Jede Nation hat Dinge angestellt, für die sie sich schämen sollte. Dunkle Flecken in der Geschichte. Da sind die Deutschen keine Ausnahme. Ihr wisst, wovon ich rede – von der deutschen Sprache. Deutsch ist in erster Linie ein undurchdringliches Gewirr von Ausnahmen. Ein Verlies, um Ausländer darin einzusperren und in Geiselhaft zu nehmen, wobei man sie wiederholt mit unverständlichen und im Großen und Ganzen nutzlosen grammatischen Instrumenten misshandelt, deren einziges Verdienst es ist, sehr, sehr deutlich und ausdrücklich klar zu machen, wer was hat und was wem von wem angetan worden ist.

Die schlechte Nachricht ist: Wenn ihr euch voll und ganz unter die Deutschen mischen wollt, müsst ihr die Sprache lernen. Das ist im Prinzip gar nicht so schwer und erfordert zwei Schritte: Vokabeln lernen und Grammatik lernen. Vokabeln lernen macht großen Spaß. Die meisten Wörter ähneln dank unserer gemeinsamen Vorfahren sogar ihrem englischen Gegenstück. Ihr werdet daher eine Weile lang rasante Fortschritte machen und es genießen, euch solche Leckerbissen wie Schwangerschaftsverhütungsmittel, Haarschmuckfachgeschäft, Muckefuck und Streicheleinheiten auf der Zunge zergehen zu lassen.

Dann beginnt ihr, voller Selbstvertrauen angesichts der vielen kleinen Bausteine, die ihr schon angesammelt habt, die Grammatik zu lernen, den Kitt, der aus eurem Gestammel richtige, zusammenhängende deutsche Sätze macht. Und jetzt werdet ihr euch verraten und verkauf fühlen. Denn deutsche Grammatik ist Unsinn.

Das Englische ist – linguistisch gesehen – immer schon die größte Schlampe von allen gewesen. Es gibt und nimmt von anderen Sprachen. Es tut, was es kann, um jedem zu gefallen. Es ist immer leicht zu haben. Meine Lieblingserklärung dafür ist, dass die Deutschen eben trotz allen ernsthaften Bemühungen in Sachen Weltherrschaft nie so erfolgreich waren wie wir Engländer. Anders als das Deutsche wurde das Englische deshalb immer wieder gezwungen, Brücken über die kulturellen und sprachlichen Abgründe zu bauen, die zwischen uns und den Ländern lagen, die wir gerade eroberten (Entschuldigung, kolonisierten). Mit der Zeit mussten wir die Ecken und Kanten des Englischen abschleifen oder, um es etwas weniger vornehm auszudrücken: Wir schmissen alles Schwierige raus.

Die englische Sprache musste sich notgedrungen ganz anders entwickeln als die deutsche. Deshalb hat das Deutsche die grammatische Komplexität des Altenglischen behalten, während sich das Englische daran machte, sich auf ein massenkompatibles, idiotensicheres Niveau herunterzukochen.

Nehmen wir als Beispiel die Geschlechter. Im Altenglischen sind sie noch da, inzwischen aber verschwunden, zur allgemeinen Erleichterung. Im Deutschen haben sie sich bedauerlicherweise in Form von der, die, das störrisch gehalten, sind jedoch vollkommen willkürlich verteilt. Sicher, es gibt ein paar vage Anhaltspunkte, bestimmte Wortendungen, die auf ein Genus hindeuten, und gewisse Wortgruppen, zum Beispiel sind alle Wochentage und alle Monatsnamen männlich. Das hilft vielleicht bei 30 % der Substantive. Bleiben immer noch 70 %, deren Genus man einfach auswendig lernen muss. Ihr könnt natürlich auch beschließen, aus Gründen der Gleichberechtigung der Geschlechter ganz auf die Artikel zu verzichten. (Sehr witzig. Ha ha.) Wie dem auch sei …

Ihr werdet viel Zeit mit dem Auswendiglernen von der, die, das vergeuden (Profitipp: Substantive immer gleich mit Artikel lernen – sich das Genus nachträglich einzuprägen, ist viel zeitraubender und ineffizienter). Doch wenn man das Genus der Substantive nicht kennt, kann man den Substantiven und Adjektiven nicht die korrekten Endungen geben. Das ist zwar auch absolut überflüssig und trägt keinen Deut zur besseren Verständlichkeit bei. Aber ohne richtige Deklination bestellt man womöglich ungeheuer dämliche Sachen wie «einer großer Wasser» statt «ein großes Wasser». Ich weiß, oberpeinlich.

Natürlich gibt es Sprachen, die noch schwerer zu lernen sind als Deutsch. Darum geht es gar nicht. Auch im Englischen gibt es Dummheiten, wie zum Beispiel die hartnäckige Neigung, Wörter anders zu schreiben, als man sie ausspricht. Der Unterschied ist jedoch: Das Englische hat die Freundlichkeit, am Anfang einfach zu sein und euch dann langsam und aufmunternd in die Höhe zu geleiten, mit einem Minimum an grammatischen Stolpersteinen. Das Deutsche setzt euch einfach vor einen steilen Berg, wünscht «Viel Spaß» und macht sich davon, während ihr mit dem mühsamen, schmerzhaften Aufstieg beginnt.

Als ich anfing, die Sprache zu lernen, was meist so aussah, dass ich keinerlei Fortschritte machte, einfach herumsaß und rummeckerte, erinnerte mich ein Freund sanft daran, dass einige der klügsten Dinge, die je niedergeschrieben wurden, in dieser Sprache verfasst sind. Ihr müsst das Deutsche also zuerst nur respektieren, lieben lernen könnt ihr es später.

7. Dem roten Mann gehorchen

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Ich glaube, das oft übertriebene Klischee, dass Deutsche liebend gerne Regeln befolgen, lässt sich einzig und allein auf ein kleines leuchtendes rotes Männchen zurückführen: Schutzheiliger und Gott des Straßen überquerenden Fußgängers. Diese Autorität herauszufordern, kühn auf eine vollkommen leere Straße zu treten, solange es noch glüht, heißt sich in große persönliche Gefahr begeben.

Natürlich nicht in die Gefahr, überfahren zu werden. Schließlich ist die Straße vollkommen leer. Solange dich kein unsichtbares Auto übermangelt, bist du sicher. Nein, die wahre Gefahr droht von den umstehenden Deutschen, deren Verachtung, Tadel und wütende «Halt!»-Rufe du heraufbeschwörst. Sie betrachten dich nun als verantwortungslosen und womöglich selbstmörderischen gesellschaftlichen Renegaten.

HALT! Warte auf das grüne Ampelmännchen. Nimm es als ausgefeilte Übung in Sachen Selbstkontrolle. Die wirst du brauchen, damit du nicht ausrastest und um dich schießt, wenn du das erste Mal in der Ausländerbehörde erscheinst und feststellst, dass niemand dort Englisch spricht.

8. Apfelsaftschorle trinken

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So, mein most excellent, fearless foreigner, das war ein anstrengender Vormittag, oder? Ich bin begeistert von deinem Anpassungswillen. Machen wir eine kleine Pause. Durst? Da habe ich genau das Richtige …

Zuerst musst du wissen, dass die Deutschen jedes Getränk fürchten, das nicht sprudelt. Schon beim Gedanken daran bricht ihnen kalter Schweiß aus. Es hat großen komödiantischen Reiz, in Deutschland Touristen und Ausländer zu beobachten, wie sie Wasser mit dem Etikett «Classic» kaufen. Natürlich nehmen sie an, weil «klassisches» Wasser – das Zeug, das seit Anbeginn der Zeiten vom Himmel fällt – schon immer stilles Wasser ohne Kohlensäure war, muss das doch auch hier so sein. Oder?

Nein! Die Millionen Jahre alte Geschichte des Wassers hat man hier praktischerweise vergessen. «Classic» bedeutet natürlich mit Kohlensäure, du alter Dummkopf. Gewöhn dich dran. Lern es zu mögen. Andernfalls musst du, wenn du deine neu gewonnenen deutschen Freunde zu Hause besuchst, um Leitungswasser bitten. Sie werden dich anschauen wie einen primitiven Wilden, den sie gerade im Wald gefunden haben, bedeckt nur von seinen eigenen Haaren.

Mit diesem Phänomen verwandt ist die Apfelsaftschorle. Ihr kennt die Szene aus Filmen, wenn Leute zum Psychiater gehen und der Therapeut sie auffordert, sich einen Ort des Glücks zu schaffen. Ein sicheres, stilles Plätzchen, wohin sie sich begeben können, wenn die Welt zu groß und beängstigend wird. Meist ist es ein Strand oder ein Schaukelstuhl auf der Veranda eines idyllischen Elternhauses oder so etwas.

Für Deutsche ist dieser Glücksort ein See aus Apfelsaftschorle, in dem sie nackt baden. Wenn sie, erschöpft von einem langen, harten Tag des Stempelns und Ausfüllens von Formularen, angesichts einer fünfzehnseitigen Speisekarte von der Qual der Wahl schier erdrückt werden, dann ziehen sie sich an diesen Glücksort zurück und bestellen Apfelsaftschorle. Die ist verlässlich, beständig und so klassisch wie sprudelndes Wasser.

Über ein Jahrhundert lang bildeten sich die Deutschen viel auf ihre Entdeckung des Sprudelwassers ein und auf den Reichtum an Brauereien, die ihnen gutes Bier brauten. Sie glaubten, besser könne es nicht werden. Dann versuchte irgendein schlauer Kopf, ein wenig Apfelsaft ins Sprudelwasser zu mischen, und schuf etwas, das ebenso erfrischend war, aber 6 % mehr Spaß machte! Das hätte beinahe zu Aufruhr geführt.

Die Leute waren einfach nicht bereit dafür. Es war zu viel des Genusses. Eine Endlos-Disco-Party für die Geschmacks knospen. Euch und eurem komischen Ausländergaumen wird es natürlich nicht so vorkommen. Euch dürfte Apfelsaftschorle so schmecken, wie sie wirklich ist – nur eine Idee besser als das langweilige Sprudelwasser.

9. Deutsches Essen


Wurstbilder

Höre ich da in der Ferne deinen Magen knurren? Hab keine Angst, mein allerbester ausländischer Freund, in diesem Abschnitt wenden wir uns – mit aller Begeisterung, die ich aufbringen kann – der Küche dieser wunderbaren, anspruchsvollen Nation zu …

Es fällt nicht leicht, über die deutsche Küche zu reden, ohne die Wurst zu erwähnen. An diesem Punkt habt ihr sicher das Gefühl, ich schlüge mit der Klischeekeule auf euch ein. Also lasse ich es. Wurst ist wichtig, aber eher als Symbol als wegen ihres Geschmacks. Wurst ist furchtbar langweilig. Dass sie in diesem Land so hoch geschätzt wird, beweist einen erschreckenden Mangel an Fantasie. Der allerdings wird euch, wenn ihr erst einmal mehr von der deutschen Küche probiert habt, nicht groß wundern.

Fleisch ist hierzulande der Dreh- und Angelpunkt so gut wie jeder Mahlzeit. In Deutschland Vegetarier zu sein, ist wahrscheinlich ungefähr so unterhaltsam, wie als Blinder in den Zoo zu gehen. Es gibt nur eine gastronomisch bemerkenswerte Jahreszeit, nämlich die Spargelsaison, wenn das ganze Land durchdreht und überall mit dem allmächtigen Spargel herumgewedelt wird, als wär’s ein kulinarischer Zauberstab, wonach er tatsächlich auch ziemlich aussieht.

Um es zusammenzufassen, die deutsche Küche bedeutet für die Welt des Essens in etwa das Gleiche wie die Band Eiffel 65 für die Geschichte der Popmusik – sie existiert, aber vor allem als Fußnote.

10. Die Bierflasche mit allem öffnen, was kein Flaschenöffner ist

Flaschenöffner existieren in verschiedenen Formen seit circa 1738. Es gibt nur einen logischen Grund, wieso Deutsche eine Flasche mit so ungefähr allem außer einem Flaschenöffner aufmachen können: nämlich dass Flaschenöffner hier erst seit 2011 bekannt sind. Seither werden sie mit Misstrauen betrachtet, und jeder, der einen verwendet, wird der Hexerei bezichtigt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ich erinnere mich noch an eine Webseite, auf der ein ganzes Jahr lang jeden Tag eine andere Art vorgestellt wurde, eine Bierflasche zu öffnen. Manche behaupten, dass den Autoren am Ende die Ideen ausgingen, als sie einen Schildkrötenpanzer als Öffner vorschlugen. Die Deutschen brauchten den Blog allerdings nicht zu lesen, da sie alle diese Methoden sowieso schon kannten. Schildkrötenpanzer? Ich bitte dich, das ist doch einfach. Ein bisschen mehr Fantasie! Und kommt mir nicht mit Flaschenöffnern. Ich habe hier schon gesehen, wie Leute Flaschen mit den Zähnen aufmachten, einer sogar mit der Augenhöhle.

Also, foreigner: Du musst mindestens zehn Methoden lernen. Feuerzeug und Löffel müssen dabei sein. Schildkrötenpanzer ist nicht zwingend, aber zulässig.

11. Sag, was du denkst

Im Englischen geht es nicht darum, was man sagt, sondern wie man es sagt. Im Deutschen geht es um beides, aber eher um Ersteres. Deutsche drücken sich also in der Regel direkt und so eindeutig wie möglich aus. Gnadenlos effizient, wenn man so will. Möchte man auf Englisch jemanden bitten, etwas für einen zu tun, dann geht man nicht einfach zu dem Betreffenden hin und fragt ihn. Oh nein. Das wäre ein schwerer gesellschaftlicher Fehltritt. Stattdessen muss man sich zunächst nach seinem Befinden erkundigen, nach dem Befinden seiner Familie, nach seinen Kindern, dem Wetter, den Aktivitäten des zurückliegenden Wochenendes, den Plänen fürs kommende Wochenende, der Trübsal oder Begeisterung über das Ergebnis des zuletzt im Fernsehen übertragenen Fußballspiels – und erst dann kann man endlich sagen: «Übrigens», womit man den eigentlichen Zweck des Gesprächs einleitet, um dann noch einmal zu bekräftigen, dass man wegen der Bitte ein schlechtes Gewissen hat, dass der Gefallen nur erwiesen werden soll, wenn es absolut keine Mühe macht – aber könnte das Gegenüber womöglich diese winzige Kleinigkeit für einen erledigen? Man wäre ihm auf ewig dankbar.

Deutsche reden nicht in so ausufernden und durchsichtigen Zurschaustellungen vorgetäuschter Freundschaft um den heißen Brei herum. Sie sagen einfach: «Ich brauche das und das, erledige das bitte, und zwar bis dann und dann. Alles klar?» Danach gehen sie wieder. Sobald ihr diese Direktheit einige Male geübt habt, werdet ihr sie wahrscheinlich einfach nur angenehm finden.

Die Deutschen sagen, was sie denken, weil sie richtig erkannt haben, dass Zuckerguss nur auf Kuchen etwas zu suchen hat. Wenn mich gerade einmal wieder Hochmut und Selbstüberschätzung befallen, kann ich mich immer darauf verlassen, dass meine deutsche Freundin mich mit Worten wie «Krieg dich wieder ein, wir werden alle nackt geboren und scheißen ins Klo» auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

12. Fenster auf Kipp

In Südkorea herrscht die weit verbreitete Überzeugung, dass man zu Tode kommen kann, wenn man in einem geschlossenen Raum bei laufendem Ventilator schläft. Das Phänomen wird fantasievoll Ventilatorentod genannt. Dieser ist zwar wissenschaftlich denkbar, aber ungefähr so wahrscheinlich, wie in sämtlichen Lotterien der Welt auf einmal zu gewinnen und gleichzeitig vom Blitz getroffen zu werden. Dennoch glauben fast alle Südkoreaner daran, und die Ventilatoren werden bei ihnen daher mit Zeitschaltern ausgestattet.

Die Deutschen haben ihre eigene Version des Ventilatorentods. Weil alle Welt die deutschen Ingenieure und Bauhandwerker über den grünen Klee lobt, glauben viele Deutsche inzwischen, dass sie keine Häuser und Wohnungen bauen, sondern luftdichte Festungen. Darum halten Deutsche oft den Erstickungstod im eigenen Heim für eine ernsthafte Bedrohung, sofern nicht regelmäßig frische Luft in ihren Zwei-Zimmer-Wohnungen zirkulieren kann. Deswegen haben deutsche Fenster eine besondere Kippfunktion, mit der man das Fenster zu ungefähr 10 % geöffnet lassen kann. Selbst im tiefsten Winter ist es durchaus üblich, das Fenster eines deutschen Schlafzimmers «auf Kipp» und den Raum so kalt vorzufinden, dass man darin Fleisch einfrieren könnte. Bleibt das Fenster nicht gekippt, so ist regelmäßige «Stoßlüftung» dringend erforderlich. Dabei öffnet man das Fenster für eine kurze Zeit sperrangelweit, so dass kalte, frische Luft hereinströmen und die böse, abgestandene, warme Luft bekämpfen kann. Diese Einstellung erklärt auch, warum die Deutschen ein so tiefes Misstrauen gegenüber Klimaanlagen hegen, die ihnen zum Hohn ständig bloß altes, recyceltes Kohlendioxid ausstoßen.

Die Begeisterung fürs Fensterkippen ist ein echter Prüfstein für binationale Beziehungen. Engländer drehen die Heizung ihrer Wohnung am 1. Oktober voll auf und rühren sie dann bis Ende April nicht mehr an. Wir sind es nicht gewohnt, den Winter mit Fenstern auf Kipp zu verbringen. Also müssen wir mit unseren deutschen Partnern eine Art Heizungs-Hase-und-Igel spielen: Wir warten, bis sie eingeschlafen sind, schließen dann leise das Fenster, das sie den ganzen Tag offen gelassen haben, drehen die Heizung auf und gleiten schließlich langsam in einen mollig warmen Schlummer. Doch am Morgen sind die schönen Zeiten vorbei, denn unsere Partner sind zuerst erwacht. Sie haben sich glücklich gepriesen, dass sie des Nachts nicht erstickt sind, haben die Heizung sofort wieder abgedreht und das Fenster geöffnet.

Brrr. Gewöhnt euch ans Frösteln, auch ihr seid jetzt Kipper.

13. Berlin mit gemischten Gefühlen betrachten

Also gut, young foreigner. Du kannst ja nicht den ganzen Tag in deiner miefigen Wohnung herumhängen. Irgendwann musst du raus und all die exotischen Winkel dieses wunderbaren, weiten Wurstparadieses erkunden. Die nächsten paar Schritte dieser Anleitung sollen dir bei deinen geografischen Bemühungen helfen. Zunächst: Berlin.

Der Durchschnittsdeutsche hat ein kompliziertes Verhältnis zu seiner Hauptstadt. Berlin ist das schwarze Schaf der deutschen Familie. Kreativ, unpünktlich, neigt zu spontanen Techno-Ausbrüchen, kann seine Schulden nicht zahlen, lässt sich gern auf Vertraulichkeiten mit Ausländern ein. Für viele Deutsche ist Berlin nicht wirklich ihre Hauptstadt, sondern eher ein gigantisches Kunstprojekt oder Sozialexperiment, das sich nur blicken lässt, wenn es einen Kater hat und mal wieder einen Zuschuss braucht. Für sie ist die wahre Hauptstadt eine Stadt ungefähr wie Frankfurt. Bei Frankfurt weiß man, woran man ist.

14. Qualifikationen

Schön, schön. Wir haben in letzter Zeit eine Menge Spaß gehabt, was, mein wagemutiger foreigner? Sind mit gültiger Fahrkarte in der Stadt herumgegondelt. Haben uns mit den neuen Lieblingslandsleuten in Bayern und Berlin vergnügt. Und wer bezahlt den ganzen Spaß? Du natürlich. Zeit für die ersten vorsichtigen Schritte in Richtung eines deutschen Arbeitsplatzes.

Als ich herzog, gab man mir den Rat: «In England landet derjenige bei den Mädchen, der am meisten trinken kann, ohne sich auf die Schuhe zu kotzen. Hier hingegen kommt der bei den Mädchen gut an, der sich am besten in Philosophie auskennt.» Das ist zwar eine Übertreibung, enthält aber ein Körnchen Wahrheit.

Dank ihres hervorragenden Schulsystems (jedenfalls verglichen mit dem englischen) und ihrer außerordentlich langen Studienzeiten sind die Deutschen ein intellektuelles Völkchen. Folglich verfügen sie in der Regel auch über eine große Anzahl von Qualifikationen und Abschlüssen.

Eitelkeit braucht immer ein Publikum, und das ist bei intellektueller Eitelkeit nicht anders. Darum mussten die Deutschen Gelegenheiten schaffen, bei denen sie andere Deutsche behutsam daran erinnern können, wie viel höher qualifiziert sie sind. In der englischen Gesellschaft, wo inzwischen jeder mit jedem per Vornamen kommuniziert, wirkt diese Idee etwas antiquiert; ich bin Adam, das ist John, Qualifikationen und Intelligenz stecken in unseren Köpfen. Hier jedoch stecken sie in den Buchstaben vor oder nach dem Namen, Buchstaben, die man auch in der Anrede verwendet, zum Beispiel Herr Doktor oder Frau Prof. Dr. h. c. Schmidt … keine Vornamensvertraulichkeiten, bitte. Selbst ein bescheidenes Klingelschild bietet Anlass zum nachbarschaftlichen Überbieten durch Auflistung aller akademischen Grade.

Wenn man Deutschen erzählt, dass man lediglich einen B. A. in Theaterwissenschaften hat, erntet man gelegentlich Grinsen und herablassendes Schulterklopfen, so als zollten sie der Tatsache Respekt, dass man sich trotzdem schon ganz allein anziehen kann.

15. «Richtige» Arbeit suchen

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Gute Nachrichten, mein furchtloser Kulturbotschafter! Die deutsche Wirtschaft brummt. Womöglich kannst du jene verwirrende, kafkaeske Festung der Verzweiflung noch umgehen, die heute Arbeitsagentur heißt. Sogar im Osten, wo sich einst Not leidende Städte wie Leipzig in pulsierende Logistikzentren verwandelt haben. Mit all deinen neuen Qualifikationen und Abkürzungen vor dem Namen solltest du problemlos Arbeit finden. Aber nicht jede Arbeit wird gleichermaßen geschätzt. Es gibt eine unausgesprochene Rangfolge der Berufe, die alle Deutschen kennen, allerdings nicht unbedingt anerkennen: richtige Berufe und nicht so richtige Berufe. Damit ein Beruf in Deutschland etwas zählt, sollte er seit mindestens hundert Jahren existieren, irgendeinen naturwissenschaftlichen Hintergrund haben oder zumindest so schwierig sein, dass man sein halbes Leben dafür lernen muss und 67 verschiedene akademische Qualifikationen erwerben kann. Er muss für Außenstehende undurchdringlich sein und sich hinter einem komplizierten Jargon verbergen. Im Idealfall sollte er außerdem mit I anfangen und mit ngenieur weitergehen. Doch es gibt auch andere akzeptierte Professionen: Naturwissenschaftler, Rechtsanwalt, Arzt, Lehrer, alles, was mit Organisation im großen Maßstab zu tun hat, zum Beispiel Logistik, oder aber mit Autos. Ansonsten kann dir leicht das passieren, was auch mir immer passiert – die Leute fragen mich nach meinem Job, und ich antworte: «Ich arbeite im Marketing», worauf irgendjemand sagt: «Aber das ist doch keine richtige Arbeit, oder?»

Die vollen 50 Tipps findest du in Adam’s Buch (online kaufen).

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