Veröffentlicht inEmotionales, Schicksale

Gefangene im eigenen Körper erwacht nach 4 Jahren.

Niemand hat damit gerechnet

Von Geburt an war Victoria Arlen ein quirliges, munteres Kind. Als das Mädchen 1994 in Boston (USA) das Licht der Welt erblickte, ahnte jedoch noch niemand, was es einmal durchmachen würde.

YouTube/Dancing With The Stars

Victoria kam als Drilling (mit zwei Brüdern) auf die Welt und entpuppte sich bald als kleiner Wirbelwind, der das Tanzen liebte und auch sonst sehr sportlich war. Doch dann erschütterte ein Schicksalsschlag das Leben des aufgeweckten Mädchens. Mit nur 11 Jahren wurden bei Victoria gleich zwei seltene Nervenerkrankungen diagnostiziert: Transverse Myelitis und Akute disseminierte Enzephalomyelitis. Victorias Eltern waren fassungslos, als die Ärzte ihnen mitteilten, dass die Aussichten auf eine Heilung schlecht standen und ihre Tochter wahrscheinlich nicht überleben würde. Als Folge der Krankheit verlor das lebenslustige Mädchen bald die Fähigkeit zu sprechen, zu essen und sich zu bewegen.

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Trotz der schlechten Prognose gaben die Eltern ihre geliebte Tochter aber nicht auf. Auch als Victoria 2006 ins Koma fiel und die Ärzte sie für hirntot erklärten, weigerten sich die Arlens, ihre Tochter einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Sie richteten ein Krankenzimmer in ihrem Haus in New Hampshire ein und kümmerten sich rund um die Uhr um Victoria. Denn instinktiv spürten sie, dass ihr kleines Mädchen immer noch da war – gefangen in ihrem eigenen Körper. Sie ahnten nicht, wie recht sie damit hatten.

Tatsächlich lag Victoria in einer Art Wachkoma und bekam alles mit, was um sie herum passierte. „Meine Eltern kümmerten sich um mich“, erinnert sich Victoria. „Meine Brüder redeten mit mir und erzählten mir, was außerhalb meines Zimmers passierte. Sie ermutigten mich, zu kämpfen und stärker zu werden. Sie wussten nicht, dass ich sie hören konnte, aber das tat ich.“ Die Liebe und die Fürsorge ihrer Familie bewirkten das Unmögliche: Victoria kämpfte sich langsam zurück. Bald konnte sie Augenkontakt zu ihrer Mutter aufnehmen und allmählich auch ihre Finger wieder bewegen. Auch die Sprache erlernte sie langsam wieder, sprach erste Worte und bald wieder ganze Sätze. Nachdem sie vier Jahre im Koma gelegen hatte, war Victoria 2010 wieder zurück im Leben. 

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Doch trotz der beeindruckenden Fortschritte, die sie machte, blieb ein Problem bestehen: Victoria konnte ihre Beine nicht bewegen. Die Ärzte stellten fest, dass eine Gehirnschwellung und eine Entzündung des Rückenmarks zu einer Querschnittslähmung geführt hatten. Victoria würde für immer an einen Rollstuhl gefesselt sein.

Von diesem Rückschlag ließ sich die inzwischen 16-Jährige nicht unterkriegen und freute sich, bald wieder die Schule besuchen zu können. Doch der Neuanfang sollte alles andere als leicht werden. „Ich erinnere mich, dass ich am Boden zerstört aus der Schule kam, weil ich wegen meines Rollstuhls gemobbt wurde“, erzählt Victoria über ihren ersten Schultag. „Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, in die Schule zurückzukehren, aber nach diesem Tag wollte ich nicht zurück. Als die Tränen getrocknet waren, versprachen mir meine Eltern, alles dafür zu tun, damit ich wieder laufen könnte.“

Victoria hatte einen harten und steinigen Weg vor sich. Als Kind war sie oft im nahegelegenen See und im Swimmingpool im Garten geschwommen. In ihrem jetzigen Zustand wieder zu schwimmen, erschien ihr unmöglich – doch ihre Brüder waren anderer Meinung. Eines Tages im Jahr 2010 warfen sie ihre niedergeschlagene Drillingsschwester einfach in den Pool. „Ich geriet in Panik“, erinnert sich Victoria. „Aber das war der Wendepunkt in meinem Leben. Das war der ‚Sprung‘, den ich brauchte, um zurück ins Leben zu finden.“ Vom Rollstuhl befreit, fühlte sich die Querschnittsgelähmte im Wasser unbeschwert und war wie in ihrem Element. Von diesem Tag an sollte sich alles ändern.

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Im Sommer 2012, zwei Jahre nachdem sie aus dem Koma erwacht war, nahm Victoria an den Paralympics teil. Und als wäre das nicht unglaublich genug, holte die vom Schicksal gebeutelte junge Frau drei Silbermedaillen und eine Goldmedaille im Freistilschwimmen für das amerikanische Team.

Als sie zurückkehrte, wurde die Sportlerin von ihren Landsleuten als Heldin gefeiert. Victoria trat in unzähligen Talkshows auf und hielt Vorträge über die phänomenale Geschichte ihrer Heilung – eine Geschichte, die noch lange nicht zu Ende war.

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Neben all ihren Erfolgen hatte Victoria nie das große Ziel aus den Augen verloren: bald wieder laufen zu können. Darum nahm sie 2013 an einem medizinischen Programm teil, das gelähmten Menschen das Laufen ermöglichen sollte. Trotz ihrer Entschlossenheit machten ihr die Experten aber keine großen Hoffnungen. Doch mit der bedingungslosen Unterstützung ihrer Eltern, die für die Zeit der Behandlung zu ihrer Tochter zogen, fühlte sich die junge Athletin zu allem fähig. Und sie sollte Recht behalten: Im November 2015 machte Victoria entgegen allen Prognosen ihre ersten Schritte ohne Gehhilfe.

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„Nicht jeder Tag ist perfekt“, sagt Victoria. „Das Gehen ist immer noch eine Herausforderung und ich bin stark beeinträchtigt. Ich trage Beinmanschetten, befolge jeden Tag ein zwei- bis dreistündiges Trainingsprogramm und an Tagen, an denen sich meine Beine besonders taub anfühlen, habe ich meinen Rollstuhl und die Krücken immer griffbereit.“

Ihre Familie und ihre Freunde wissen, wie sehr die junge Frau kämpfen muss, auch wenn sich Victoria nichts davon anmerken lässt. „All das ist es wert. Zum ersten Mal seit 10 Jahren kann ich anderen Menschen in die Augen sehen, statt immer auf ihre Hintern starren zu müssen“, scherzt sie. Man sieht: Victoria hat sich nicht nur ihren Lebenswillen, sondern auch ihren Humor bewahrt.

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Inzwischen arbeitet die Goldmedaillen-Gewinnerin als Programmleiterin für den Sportsender ESPN. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Erfahrungen mit der Welt zu teilen und anderen Menschen Mut zu machen.

Hier siehst du Victorias unglaubliche Geschichte nochmal im Video (auf Englisch):

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Trotz ihrer übermenschlichen Leistungen bleibt Victoria bescheiden. „Ich habe das nicht allein geschafft und ich bin dankbar für jeden, der mir auf diesem Weg geholfen hat.“ Es gibt eben nichts, das man nicht schaffen kann, wenn man die richtigen Menschen an seiner Seite hat.