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Frau erfindet Test, der Millionen Kindern das Leben rettet.

Zum Wohle des Kindes

Man hört immer wieder, heutzutage sei die Geburtenrate zu niedrig. Laut Statistik brachte 2012 eine Frau hierzulande im Schnitt 1,5 Kinder zur Welt, wohingegen es 1875 fast fünf Kinder pro Frau waren.

Doch dabei wird oft vergessen, dass bis ins unsere Gegenwart hinein die Kindersterblichkeit gravierend zurückgegangen ist. So starben 1870 fast 25 % aller Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahres. Im Vergleich dazu lag die Kindersterblichkeit in Deutschland im Jahr 2006 bei gerade einmal 0,38 %.

Facebook/Virginia Apgar

Unter diesen beängstigenden Umständen war es eine völlig andere Sache als heute, auf der Säuglingsstation eines Krankenhauses zu arbeiten. Ein viel zu großer Teil der Kinder, denen man dort auf die Welt half, würde nicht lange leben, und jeder wusste es.

In dieser Situation musste auch Virginia Apgar arbeiten, die als Chirurgin und Anästhesistin schon bei zahllosen Geburten geholfen hatte. Die 1909 im US-Bundesstaat New Jersey Geborene studierte als eine von neun Frauen in einer Klasse von 90 Studenten Medizin an der Columbia University in New York und legte 1933 als eine der ersten ihres Geschlechts ihr Examen als Chirurgin ab.

Facebook/Virginia Apgar

Nach ihrer zweijährigen Assistenzzeit in einem New Yorker Krankenhaus, wo sie mehrere hundert Operationen durchführte, sah sich Virginia allerdings gezwungen, zur Geburtshilfe und Anästhesie zu wechseln, weil Frauen als Chirurgen nicht gefragt waren und dementsprechend keine Verdienstmöglichkeiten besaßen. 

Vorurteile und Geringschätzung für weibliche Mediziner waren in beiden Geschlechtern tief verwurzelt – auch Frauen misstrauten einer Ärztin. „Frauen wollen nicht von einer Chirurgin operiert werden. Nur Gott weiß, weshalb“, wunderte sich Apgar, die sich bereits in ihrer Jugend nicht von Geschlechterrollen beeindrucken ließ.

Facebook/National Women’s History Museum

Während der Jahre, in denen sie Hunderte von Babys und deren Mütter betreute, musste sie allzu viele der Kinder sterben sehen. So sehr sie dies persönlich mitnahm, konnte sie jedoch nicht zulassen, dass es sie in ihrer Arbeit behinderte. Also ging sie mit einem professionellen Abstand an die schlimmen Fälle heran und dokumentierte genau, welche eventuellen Symptome und Auffälligkeiten die Neugeborenen zeigten. Im Laufe der Zeit bemerkte sie wiederkehrende Übereinstimmungen und begann Muster darin zu erkennen, welche Anzeichen auf welches Problem hinwiesen.

Facebook/Virginia Apgar

Sie benutzte ihre Aufzeichnungen, um einen ebenso simplen wie genialen Test zu entwickeln, der heute noch fast weltweit nach jeder Geburt Anwendung findet und unzähligen Kindern das Leben gerettet haben dürfte. 1952 stellte sie das Schema, welches als der „Apgar-Score“ in die Medizingeschichte eingehen sollte, vor. 

Facebook/Virginia Apgar

Der Test ist eine Checkliste von Symptomen, auf die Babys in den ersten paar Minuten ihres Lebens kontrolliert werden.  Hierfür werden in der 1., 5. und 10. Minute nach der Geburt fünf Kriterien beurteilt, die sich äußerst schnell prüfen lassen.

Diese fünf Kriterien sind:

  • die Atmung
  • der Puls
  • der Grundtonus (d.i. der Spannungszustand der Muskulatur)
  • das Aussehen (z.B. die Hautfarbe)
  • die Reflexe

Facebook/A Woman’s View

„Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens“, sagte Apgar, die im Laufe ihrer Karriere bei rund 17.000 Geburten anwesend war. Nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch während des Geburtsvorgangs selbst können verschiedene Komplikationen wie Atmungs- und Kreislaufprobleme oder Blutungen auftreten, die zu lebenslangen Folgeschäden oder gar zum Tod des Kindes führen können, falls sie nicht rechtzeitig erkannt und therapiert werden.

Facebook/Virginia Apgar

Bis zu Apgars Idee gab es eine solche weltweit einheitliche Vorgehensweise, um die wichtigsten Lebenszeichen von Neugeborenen zu beobachten und zu bewerten, schlicht und ergreifend nicht. Allein in den USA war es bis in die 1950er Jahre hinein noch nicht einmal üblich, die Atemwege des Neugeborenen freizumachen, damit das Kind genug Luft bekommt.

Facebook/Virginia Apgar

Spätestens mit dem von ihr entwickelten Apgar-Score wurde Virginia Apgar eine Koryphäe auf dem damals noch jungen Gebiet der Neugeborenenmedizin. Sie schrieb Fachbücher zu dem Thema und galt als hervorragende Lehrerin und Rednerin.

Facebook/Virginia Apgar

Virginias hörte nie auf zu arbeiten und machte sich noch bis kurz vor ihrem Tod im Jahr  1974 unermüdlich für die Gesundheit von Schwangeren und Säuglingen stark.

Was für eine kluge, engagierte und bewundernswerte Person. Ihr weitergegebenes Wissen rettet heute noch auf der ganzen Welt Neugeborenen das Leben.